Tolle Idee, aber nicht richtig griffig

Mir hat diese Beschreibung sofort gefallen, was wohl in erster Linie daran liegt, dass es sich bei “Meridian” endlich mal um eine Fantasy-Geschichte handelt, die nicht die gerade ach so beliebten Vampire zum Thema hat, sondern offenbar eine sehr innovative Figur in den Mittelpunkt stellt. Die so genannten Fenestra, die eine Art Fenster zwischen unserer Welt und dem Jenseits bilden und Sterbenden beim Überqueren dieser Grenze helfen.
Sehr schön finde ich auch, dass dieses “Wesen” von Anfang her ein Teil von Meridian ist. Sie lebt seit ihrer Geburts damit, hält sich inzwischen gar für einen Menschen, der den Tod bringt. Es ist also nicht so, dass sie bislang unbeschwert gelebt hat und das Schicksal eine Fenestra zu sein urplötzlich über die hereinbricht.
Wie gesagt, die Idee hat mir von Anfang an sehr gut gefallen, eben mal eine andere Art Fantasy als der gängigen.
Zudem schneidet “Meridian” das Thema Tod mal anders an als die Kollegen. Nämlich nicht als begehrenswertes Ziel um endlich mit dem geliebten Vampir verbunden zu sein, sondern als ein trauriges, aber andererseits -dank der Fensteras- hoffnungsvolles Ereignis. Die Geschichte hat wirklich einige sehr traurige Szenen und empfindliche Leser werden hier sicher ein paar Tränen verdrücken.
Doch natürlich hat das Leben als eine Fenestra auch seine Schattenseiten, das weiß niemand besser als Meridians Großmutter, die selbst eine ist und zu der Meridian quasi in die “Lehre” kommt. Ihre Großmutter hat arge Feinde, in erster Linie die Kirchenleute ihres Ortes. Das Buch schildert sehr anschaulich und erschreckend, wie weit die so genannten Gottesvertreter auf Erden gehen um jemanden wie Meridians Großmutter (und somit auch Meridian) bei den anderen Bewohnern des Ortes unbeliebt zu machen, ja, sogar Angst vor ihr zu säen, so dass es letztlich sogar zu echten und hochgefährlichen Angriffen kommt. Das hat schon etwas von einer Hexenverfolgung.
Es gibt aber auch ein Problem, das ich mit “Meridian” habe. Denn die Geschichte konzentriert sich nahezu komplett auf das Leben, die Fähigkeiten und Ängste der Fenestra. Da bleibt das Drumherum, das eben auch unentbehrlich ist für eine tolle Geschichte, deutlich auf der Strecke. Zwar kann man sich in Meridian recht gut einfühlen, schon alleine deswegen, weil sie die Geschichte aus ihrer Sicht in der Ich-Perspektive erzählt. Aber ansonsten bleibt sie als Charakter gesehen doch recht fadenscheinig. Was übrigens auch für alle anderen Charaktere gilt. Auch Meridians Großmutter und Meridians Schwarm Tens sind als Personen zu wenig “griffig”. Ihre Beschreibungen fallen eher oberflächlich aus und auf ihr Wesen wird auch nicht ausreichend eingegangen, so dass man -abgesehen von den traurigen Momenten- kaum eine Verbindung zu ihnen aufbauen kann.
Tens ist dann auch gleich das nächste Problem bzw Meridians Verhältnis zu ihm. Die beiden kennen sich überhaupt nicht als Meridian bei ihrer Großmutter eintrifft. Meridian findet zwar sofort, dass Tens wirklich gut aussieht, ansonsten ist er aber zunächst alles andere als nett zu ihr. Das legt sich dann erst mit der Zeit und ab da an kommen die beiden gut miteinander klar, aber mehr kam da bei mir nicht an. Romantische Szenen sucht man vergebens, mehr als mal ein Lächeln, ein tiefer Blick oder nette Worte ist da nichts. Meridian fragt sich dann aber sehr bald, ob sie ihn vielleicht liebt. Ich erwarte sicher keinen triefenden Kitsch, aber etwas Gefühl gehört doch schon dazu, damit man als Leser wenigstens etwas mit schwärmen könnte. So jedenfalls geht mir das ohne jeden Hintergrund einfach zu schnell. Als hätte Amber Kizer diese Lovestory unbedingt einbringen wollen, ohne dabei jedoch sonderlich viel Sorgfalt darauf zu verwenden. Mir beispielsweise hätte es völlig gereicht, wenn Tens Meridians bester Freund geworden wäre. Selbst das wäre spannender gewesen als die Beziehung zwischen Meridian und Tens wie sie im Buch beschrieben wird.
Trotzdem habe ich das Buch an einem Nachmittag ausgelesen gehabt. Mich haben die Hoffnung, dass die Geschichte und die Charaktere doch noch etwas mehr Tiefe erlangen würden, aber schon auch die gefühlvollen Szenen bei der Sache gehalten. Insgesamt habe ich die Geschichte als recht düster empfunden und das mag ich eben auch sehr gerne. Zudem liest sich “Meridian” leicht und flüssig weg und ehe man es sich versieht, ist die letzte Seite auch schon da. Ich persönlich würde mich über eine Fortsetzung freuen.
Das Cover wirkt ebenfalls sehr düster und die schönen verschlungenen Ranken mit den Totenköpfen darin, deuten bereits an, dass der Tod hier eine wichtige Rolle spielt. Mir gefällt der farbliche Kontrast sehr und im Regal macht er das Buch sofort zum Hingucker. Nur dieser Mädchen- bzw Frauenkopf…es erscheinen so viele tolle Fantasy-Bücher, müssen die denn alle vom Covermotiv her in “Uniform” gehen? Ich bin diese Köpfe, Gesichter oder entblößte muskulösen Männeroberkörper allmählich mächtig leid. Und die Bücher haben solch eine Einheits-Optik einfach nicht verdient. Jede Geschichte ist doch einzigartig. Wieso müssen die Bücher dann vorne alle so ähnlich aussehen?
Fazit: Amber Kizer hat mit “Meridian” eine wirklich sehr tolle Idee umgesetzt, die klar aus dem Einheitsbrei der aktuellen Fantasy-Literatur heraussticht. Leider hat sie dem Drumherum, das eine Geschichte griffig macht, dabei vernachlässigt, was mich schon gestört hat. Trotzdem, wer mal eine andere Art Fantasy lesene möchte, der sollte “Meridian” eine Chance geben.