Sehr spannend mit etwas schwachem Ende

Kalte Stille - Wulf Dorn

Wenn die Stille zum Alptraum wird …

Eine Tonbandaufzeichnung, die in abrupter Stille endet – unerträglicher Stille. Mehr ist Jan Forstner von seinem kleinen Bruder nicht geblieben. Vor dreiundzwanzig Jahren ist Sven spurlos verschwunden. In derselben Nacht verunglückte auch sein Vater unter rätselhaften Umständen. Beide Fälle konnten nie aufgeklärt werden. Als Jan gezwungen ist, an den Ort seiner Kindheit zurückzukehren, holt ihn die Vergangenheit wieder ein.
Ein mysteriöser Selbstmord führt zu einem schrecklichen Geheimnis.

 

Da haben wir schon wieder einen Autoren, den ich bislang nicht mal dem Namen nach kannte, und über dessen Buch ich quasi “gestolpert” bin. Der Klappentext klang vielversprechend, also habe ich dem Buch eine Chance gegeben.
Und ich habe es nicht eine Minute lang bereut. Das Buch legt sich direkt im ersten Kapitel schon gut ins Zeug. Hier wird ein mysteriöser Autounfall beschrieben, was ich aber zunächst in einen hinteren Winkel des Gedächtnisses verschoben habe, denn schlau wird man daraus natürlich noch nicht. Anschließend springt die Geschichte 23 Jahre in der Zeit voran, nach 2010, wo Jan gerade ein Vorstellungsgespräch in einer psychiatrischen Klinik hat.  Die Klink liegt nahe dem Dorf, in dem er aufgewachsen ist. So weit, so gut.
Es wird allerdings sehr schnell klar, dass Jan eine ziemlich dunkle und traurige Vergangenheit mit sich herumträgt und nach und nach erfährt man auch, was es damit genau auf sich hat und dass Jan in den kleinen Ort zurückgekehrt ist um sich seiner Vergangenheit zu stellen und einen Neuanfang zu wagen.  Das ist schon sehr spannend, doch mit jedem weiteren Kapitel wird es noch spannender. Denn Jan stellt Nachforschungen um die Ereignisse vor 23 Jahren an und plötzlich ergeben sich an vielen Stellen unerwartete Zusammenhänge. Und nach und nach sterben auch immer wieder Leute aus dem Dorf, mit denen Jan nach seiner Rückkehr in seine Heimat Kontakt hatte. So packt einen die Geschichte sehr schnell und man will nach jedem Kapitel unbedingt wissen, wie es weitergeht und man überlegt automatisch, wie später wohl die Auflösung aussehen wird.  So etwas gefällt mir ja immer sehr gut, wenn einem die Möglichkeit zum Mitknobeln gegeben wird.
“Kalte Stille” hat einen also wirklich sehr schnell am Haken und lässt sich daher nur schwer wieder beiseite legen. Ich jedenfalls habe nur kurze Lesepausen geschafft, dann hatte ich das Buch auch schon wieder vor der Nase.
Schön auch -auch wenn das jetzt vielleicht merkwürdig klingt-, dass Wulf Dorn seine Leser in Szenen wie der mit der Brückenspringerin und dem Selbstmord eines Patienten in der Klinik nicht schont. Er beschreibt solche Szenen schon sehr anschaulich, so dass auch dieses wohlige Schaudern aufkommt, das für mich zu einem echten Thriller einfach dazu gehört.
Den dritten großen Pluspunkt hat “Kalte Stille” bei mir mit seinen Charakteren eingefahren. Ich bin kein Fan von seitenlangen Charakterbeschreibungen und Wulf Dorn hat hier genau das richtige Maß getroffen, so dass mir die einzelnen Personen schnell vertraut wurden und ich zu jedem eine gewisse “Beziehung” aufgebaut habe. Wenn ein Buch das bei mir nicht relativ schnell schafft, ist die Lektüre oft schnell zum Scheitern verurteilt. “Kalte Stille” ist das bereits auf den ersten Seiten spielend gelungen.
Ein Manko gibt es aber leider auch, nämlich das Ende…jedenfalls in einem gewissen Sinne. Ganz ehrlich, die Geschichte spielt oft in der psychiatrischen Klinik und annähernd jede Person, der Jan begegnet, hat irgendwo “einen Knacks weg”, wenn auch nur einen kleinen. Jan selber eingeschlossen. Da hatte ich mir ein weniger “bodenständiges” Ende gewünscht. Es ist zwar spannend, die Auflösung auch interessant, aber ich hätte es mir einfach…wie soll ich das sagen…psychologischer gewünscht. Der Täter ist zwar ohne Zweifel verrückt, aber die Auflösung ist dann doch recht solide.

 

“Kalte Stille” liest sich sehr flüssig weg und dadurch, dass nahezu jedes Kapitel einen kleinen Cliffhanger am Ende bietet, kommt man ganz automatisch zügig voran. Man möchte nämlich einfach jedes Mal dringend wissen, wie die Geschichte nun weitergeht und ob die eine oder andere eigene Ahnung stimmt.

 

Das Covermotiv ist relativ schlicht gehalten und der Hintergrund hat für mich erst nach einigen Kapiteln einen Sinn ergeben. Aber ich finde, er passt so sehr gut zur Geschichte. Zudem ist ein solch helles Cover ja doch eine kleine Seltenheit im Thriller-Genre. Sonst präsentiert sich das entsprechende Regal im Buchladen des Vertrauens doch eher dunkel.

 

Fazit:   Das Ende war mir etwas zu einfach gestrickt. Trotzdem habe ich mit “Kalte Stille” einige sehr spannende Lesestunden verbracht und deshalb würde ich es Fans des Genres auch ans Herz legen. Mich jedenfalls hat es sofort neugierig auf Wulf Dorns Erstling “Trigger” gemacht, der bereits am nächsten Tag ins Regal einzog. Also hat “Kalte Stille” doch eine ganze Menge richtig gemacht.

 

Quelle: http://leserattz.wordpress.com/2010/08/31/rezension-kalte-stille-wulf-dorn